Modellieren einer Drahtantenne mit Isolation
[Update 2024-08-20: Korrektur der Formel zu L und äquivalentem Radius]
[Update 2024-09-19: Korrektur Literaturangabe Artikel von Stearns, Ergänzung zum Antenna Book [5]]
Für mein Antennen-Modellierungsprogramm pymininec (das eine Reimplementierung des original Mininec Basic-Codes darstellt) habe ich mich damit beschäftigt, wie man isolierte Drähte in Antennen modellieren kann. Ich hatte Roy Lewallen, W7EL, den Autor von EZNEC gefragt was er in EZNEC verwendet und einen Hinweis auf ein Paper von J. H. Richmond [1] erhalten, das das erste Paper war, welches einen Algorithmus für isolierte Drähte vorgeschlagen und auch implementiert hat. Der Algorithmus wurde von Jerry McCormack in seiner Masterarbeit [2] implementiert und später in einem Report [3] (dieser ist fast identisch mit der Masterarbeit bis auf neueren Fortran Code und einen anderen Autor) wiederveröffentlicht. Der original Fortran Code ist nicht nur in den obigen Reporten abgedruckt, sondern auch heute noch verfügbar auf Ray L. Cross' Seite zum "Antenna Scatterers Analysis Program" ASAP. Die Subroutine "DSHELL" implementiert den Algorithmus für isolierte Drähte. Mit einigen Modifikationen konnte ich diesen Code auch heute noch ausführen. Großer Dank gebührt an dieser Stelle Roy, W7EL der mir diese Infos zugänglich machte.
Um meine Implementierung in pymininec gegen gemessene Daten zu testen habe ich ein Paper von David Lamensdorf [4] ausgegraben wo der Effekt von Isolation wirklich mal gemessen wurde. Weil zu dieser Zeit der Einfluss von Isolation nur mit einem unendlichen Zylinder theoretisch modelliert werden konnte verwendete das Experiment Isolation die über das Ende des Drahtes hinausragte bis keine Änderung der gemessenen Parameter mehr beobachtet wurde.
Experimente mit den Formeln von Richmond [1] zeigten mir dass die resultierende Impedanzmatrix schlecht konditioniert ist: Für kurze Drahtsegmente erzeugen die Formeln sehr große absolute Werte die zur Hauptdiagonale addiert und von den beiden Nebendiagonalen (die Matrix ist symmetrisch, die beiden Nebendiagonalen sind für die obere und untere Dreiecksmatrix ident) subtrahiert werden. Weil diese Werte während der Matrix-Inversion subtrahiert werden, kommt es zu katastrophalen Auslöschungseffekten, was die Ergebnisse dominiert.
Also habe ich weiter nachgeforscht und bin auf ein Paper [5] und eine Präsentation [6] von Steve Stearns, K6OIK gestoßen, die Formeln für die verteilte Induktivität und einen äquivalenten Radius angibt mit welchen sich Isolation modellieren lässt. Seine Präsentation hat auch eine gute Übersicht über unterschiedliche Ansätze zur Modellierung von Isolation mit Programmen die dies nicht unterstützen (wie die original NEC-2 Implementierung oder das original Mininec):
Hier ist \(a\) der Original-Radius des Drahtes, \(b\) der Radius mit Isolation, \(\sigma\) ist die Elektrische Leitfähigkeit des Drahtes, \(\varepsilon_r\) ist die relative Permittivität der Isolation, \(a_e\) ist der äquivalente Radius und \(\sigma_e\) die äquivalente Permittivität die verwendet wird um den Effekt des veränderten Radius bei der Berechnung des Skin-Effekts aufzuheben. Die Induktivität \(L\) ist die Induktivität pro Länge des isolierten Drahtes (oder Drahtsegments).
Dann habe ich ein Paper gesucht das die Formeln von Steve Stearns bestätigt und habe ein noch älteres Paper von Tai Tsun Wu [7] gefunden das exakt die gleichen Formeln für den äquivalenten Radius \(a_e\) und für die verteilte Impedanz \(L\) angibt.
Die Formel für die äquivalente Permittivität wird nur verwendet um den Effekt des äquivalenten Radius auf die Berechnung des Skin Effekts aufzuheben. In einem früheren Blog Post [8] hatte ich eine Formel für den Skin Effekt angegeben. In dieser Formel taucht die Elektrische Leitfähigkeit \(\sigma\) als ihr Kehrwert \(\rho\) auf, der spezifische Widerstand. Die Quadratwurzel aus \(\sigma\) wird immer als Produkt mit dem Radius verwendet. Daher können wir den Effekt der Radius-Änderung durch Multiplikation von \(\sigma\) mit dem Kehrbruch des Faktors für den äquivalenten Radius multiplizieren. Wir bekommen:
In pymininec brauche ich allerdings den äquivalenten Radius bei der Skin Effekt Berechnung nicht zu korrigieren da ich dort einfach den Original-Radius verwenden kann.
In den folgenden drei Grafiken vergleiche ich diverse Implementierungen von isolierten Drähten mit den Messungen von Lamensdorf [4]. Der Draht hat einen Durchmesser (nicht Radius) von 0.25 Zoll bei einer Frequenz von 600MHz. Ich verwende nur die Messungen mit \(\varepsilon_r = 3.2\), die höheren Permittivitäten sind in der Praxis unrealistisch hoch und die Ergebnisse dürften durch das unrealistische experimentelle Setup abweichen. Ich plotte den Real- (elektrische Leitfähigkeit, auch Konduktivität) und Imaginärteil (Suszeptanz) der Admittanz (Kehrbruch der Impedanz). Die drei Grafiken sind:
Ohne Isolation
Durchmesser des Drahtes mit Isolation 0.375 Zoll (Isolation 0.125 Zoll)
Durchmesser des Drahtes mit Isolation 0.5 Zoll (Isolation 0.25 Zoll)
Die unterschiedlichen Kurven in den Plots sind:
ASAP mit zwei, vier, acht und 16 segmenten für eine Dipolhälfte, die Kurven sind mit 'AS02', 'AS04', 'AS08' and 'AS16' markiert, es werden nicht alle Kurven in jedem Plot gezeigt.
4NEC2 das nach Stearns [6] die Formel von Cebik [9] implementiert, diese Kurven sind mit '4N2' markiert
NEC-2 mit Wu's [7] Formel mit äquivalentem Radius und verteilter Induktivität sowie mit Stearns [6] Formel für das äquivalente \(\sigma\) markiert als 'NEC'
Meine pymininec Implementierung verwendet Wu's [7] Formel mit äquivalentem Radius und verteilter Induktivität (aber nicht die \(\sigma\) Korrektur weil ich für die Skin-Effekt Berechnung den Original-Radius verwenden kann), markiert als 'mini'
Die Messungen von Lamensdorf [4] sind die blauen und orangen Blasen (jeweils für den Real- und Imaginärteil)
In den Grafiken mit Isolation zeige ich auch die Resultate von EZNEC, die Kurven sind ausgegraut und können in der Legende auf der rechten Seite eingeschaltet werden
Die Formeln von Cebik [9] und Wu [7] sind sehr ähnlich, die Kurven '4N2' und 'NEC' sind fast identisch.
Die EZNEC Kurven und einige der ASAP Kurven sind ausgegraut, weil sie numerische Probleme aufgrund der schlecht konditionierte Impedanzmatrix durch die Formeln von Richmond zeigen. Es ist interessant zu sehen, dass EZNEC auch numerische Probleme bei kleinen Segmenten hat. Die ausgegrauten Kurven können mit Klick in die Legende auf der rechten Seite eingeschaltet werden.
Die Segmentierung in allen Beispielen sind 21 Segmente für einen Draht. Das bedeutet recht kurze Segmente für die kleineren Drahtlängen. Dies triggert eine Warnung zu kurzen Segmenten in EZNEC für die ersten drei Punkte (bis zu einschließlich \(\frac{4.2}{32} = 0.06558125\) Wellenlängen) aber nicht für den klar numerisch ungültigen 6. Wert in der ersten Grafik mit Isolation und für die numerisch instabilen Werte in der zweiten Grafik mit Isolation.
Es sei darauf hingewiesen dass die Messungen von Lamensdorf [4] an Monopol-Antennen durchgeführt wurden. Ich simuliere Dipole. Die Impedanz eines Monopols ist die Hälfte von der eines Dipols, daher multipliziere ich die Admittanz mit dem Faktor zwei. Alle Admittanzen sind mit milli-Siemens, früher auch milli-mhos (wobei mho ohm rückwärts ist) mit dem Symbol ℧ zur Zeit des Lamensdorf [4] Papers.